„Hundeherz“ – ein Theaterfeuerwerk

10. Mai 2015 - Ilka Rummel

Die Novelle „Hundeherz“ von Bulgakow handelt von dem gut situierten Moskauer Professor Filipp Filippowitsch, der einen verwahrlosten Straßenköter bei sich aufnimmt. Getauft auf den Namen Bello scheint für den Hund ein bequemes Leben zu beginnen. Doch der Professor hat anderes vor: ein gewagtes Experiment, die Schaffung eines neuen Menschen. Er setzt dem Hund die Hypophyse eines gerade verstorbenen Säufers ein, doch:

„Wenn einer spricht, heißt das noch lange nicht, dass er ein Mensch ist.“

Der Hund entwickelt sich nicht den Vorstellungen des Professors entsprechend zu einem respektablen Mitglied des Bürgertums, sondern schlägt sich auf die Seite der proletarischen Hausverwaltung (Jonas Grundner-Culemann). Der neue Mensch rebelliert gegen seinen Schöpfer, bis dieser die OP schließlich rückgängig macht.

1925 weckte der russische Schriftsteller Michail Bulgakow mit seinen Texten das Misstrauen der sowjetischen Behörden. Neben anderen wurde „Hundeherz" konfisziert und konnte daher zunächst nur durch handschriftliche Weitergabe verbreitet werden. Die Parodie auf das Konzept des neuen Menschen der Sowjetunion war zu deutlich. Erst 1987 wurde „Hundeherz" in der Sowjetunion offiziell veröffentlicht.

Regisseur Matthias Günther lag viel daran, in seiner Inszenierung auch das Theater selbst in all seinen Ausdrucksformen in Szene zu setzen. So beginnt das Stück etwa mit einer Übung wie aus dem Schauspielunterricht: Merlin Sandmeyer, Darsteller des Bello, soll sich darauf einstimmen, den verwahrlosten Hund authentisch zu verkörpern. Dafür wird die Rolle gleichsam in ihn hineingeprügelt. Die kleine Unterrichtseinheit lohnt sich für das Publikum, denn Sandmeyer spielt den Bello im weiteren Stückverlauf mit ganzem Einsatz. Ob er verunsichert kläfft und um sich beißt, sich frohlockend im Hundehimmel wähnt oder später als Hundemensch tanzt, trinkt und sich feiert – der Mensch im Tier bzw. das Vieh im Menschen ist stets greifbar. Unterstützt wird er dabei von den maßgeschneiderten Toneffekten, die live eingespielt jede Geste ausdrucksstark betonen. Eine weitere Dimension des Theaters wird in Form von Lichtspielen wie Schattenprojektionen der Darsteller und bunt leuchtenden LED-Lichterschläuchen genutzt, um die Handlung zu unterstreichen.

Um das Stück für vier Schauspieler spielbar zu machen, wurden die Figuren der Haushälterin des Professors und seines Assistenten Bormental in einer Rolle, verkörpert von Cigdem Teke, zusammengefasst. Mittels eines tiefen Zugs an ihrer Gasmaske wechselt sie zwischen ihren beiden Identitäten hin und her, berichtet mal aus der einen, dann aus der anderen Perspektive vom Geschehen und fordert so das Publikum mit an Schizophrenie erinnernden Persönlichkeitswechseln. Auch die Parallelen zu Goethes „Faust" werden ausgiebig zitiert. So kann sich Oliver Mallison, Darsteller des Professor Filipp Filippowitsch, mit Hilfe von Goethes Originalversen in die richtige Stimmung für seine Homunkulus-Operation am Hund bringen.

All die unterschiedlichen Themen des Schauspiels: der Mensch als Schöpfer, die Verantwortung des Schaffenden, die Möglichkeit zur Vorbestimmung, historische Bezüge zum Konzept des neuen Menschen in der Sowjetunion und besonders die vielfältigen Erzählperspektiven der Inszenierung zünden ein abwechslungsreiches Theaterfeuerwerk. Das Publikum muss in der anschließenden Nachbesprechung erst mal Atem schöpfen, bevor ein Gespräch mit Regisseur und Darstellern entsteht. Die Interpretation von „Hundeherz" durch die Münchner Kammerspiele ist eine durch und durch überzeugende Bereicherung der Bayerischen Theatertage und beschert den Zuschauern sowohl ein sehr unterhaltsames, als auch anspruchsvolles Theatererlebnis.

Fotos: Julian Baumann

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