Am 9. Juni 2015 luden Christian Ritter und Nora Gomringer wieder zur „Nacht der Lebenden, Toten“ ins E.T.A.-Hoffmann-Theater ein – und das bereits zum achten Mal.
Das Konzept ist schnell erklärt: Vier „lebende Dichter“, also Poetry Slamer aus ganz Deutschland, treten gegen vier „tote Dichter“ an, also verstorbene Schriftsteller oder Musiker, die von Schauspielern des Theaters verkörpert werden. Das Publikum bzw. eine ausgewählte Jury entscheidet anhand von Punktevergabe, wer ins Finale kommt. Am Ende gewinnt dann – theoretisch – ein Dichter bzw. eine Gruppe: die Lebenden oder die Toten eben.
Die Kulisse war diesmal sehr himmlisch angehaucht, da es sich um das Bühnenbild des laufenden Stücks „Wie im Himmel“ (Feki.de-Kritik hier) handelte, und stimmte bereits auf den Battle zwischen himmlischen Dichtern und höllischen Poeten – so der Slogan des Abends – ein. Das Publikum war erfreulicherweise sehr gemischt, von ganzen Schulklassen über Studenten bis hin zum Rentnerpaar war alles vertreten. Bamberger Slam-Meister Christian Ritter und Nora Gomringer von der Villa Concordia führten wie gewohnt amüsant und gut gelaunt durchs Programm. Einige Fun Facts gab es auch, zum Beispiel: Warum hieß Loriot Loriot? Na, wisst ihr’s?
Als Slam Poeten traten an: Pauline Füg aus Würzburg, Jason Bartsch aus Bochum, Max Kennel (den eingefleischte Slam-Fans noch aus früheren Poetry Slam-Tagen im Morphclub kennen dürften) und der Berliner Volker Strübing. Als wiederauferstandene Poeten durften begrüßt werden: Erich Mühsam, Bertolt Brecht, Loriot und Tupac. Begeisterte 50 Punkte und damit Höchstpunktzahl erreichte Jason Bartsch mit einem ernsten Text über einen Greis, der sich aufopferungsvoll um seine Frau kümmert. Volker Strübing brachte das Publikum mit einer Anekdote über Witze (bzw. Tritze = traurige Witze) und Menschen, die sich keine Witze merken können, zum Lachen. Was ist grün kariert, liegt auf dem Boden und macht Nuf Nuf? Die Pointe sei an dieser Stelle nicht verraten.
Auf Seiten der Schauspieler sorgte vor allem der Auftritt von Bernhard Georg Rusch alias Bertolt Brecht für Aufsehen, da er als Hip-Hopper gekleidet die Bühne betrat (lediglich die bekannte Brecht-Brille lieferte ein Erkennungsmerkmal) und sich dann im Laufe seines Gedichtvortrags nach und nach auszog. Komplett. Loriot wiederum wurde von einer Schauspielerin (Elena Weber) dargestellt, was im ersten Moment vielleicht erstaunen mag, aber sehr witzig von ihr rübergebracht wurde, da sie erst den bekannten Loriot-Sketch „Feierabend“ aufführte und dann das Gedicht „Advent“ vortrug.
Nach dem ersten Durchgang durften sowohl Jason Bartsch und Volker Strübing, als auch Loriot und Bert Brecht ins Finale einziehen, was bedeutete, dass sie nach der Pause noch einmal auftreten durften. Die lebenden Dichter-Vertreter sprachen beide über Phänomene der Neuzeit wie nervige Software-Updates, Apps, Tinder und wie das Internet die Art unserer Beziehungen verändert. Loriot mit einem Text über die Neurosen Peter Neugebauers sowie Bert Brechts zweiter Auftritt blieben dagegen etwas farblos. Dafür holte Brecht-Darsteller Bernhard Rusch seinen Kollegen Felix Pielmeier alias Erich Mühsam auf die Bühne und teilte mit ihm seine Vortragszeit, weil es für beide Schauspieler der letzte Auftritt im Großen Haus des E.T.A.-Hoffmann-Theaters war.
Dies war vielleicht auch ein Anlass für die Moderatoren, neben der großen Dankbarkeit gegenüber dem Theater und allen Ermöglichern des Dead or Alive Poetry Slams, diesmal keinen Sieger vom Publikum wählen zu lassen. Es war für alle auch so ein schöner Abend, mit oder ohne Gewinner. Die Trophäe Crazy Hoffmann ging also diesmal symbolisch an das Theater und die Schauspieler.
Fotos: Thomas Bachmann