Raus in die Stadt – Rein in die Kaserne

26. Mai 2015Geuppert Alina

„kontakt – Das Kulturfestival“ zog am Pfingstwochenende tausende Besucher „raus in die Stadt“ – und damit für die meisten Besucher zum ersten Mal rein in die Lagarde-Kaserne, in der die elfte Ausgabe vom kontakt-Festival für vier Tage stationiert war.

Hinter dem kostenlosen Festival steht die Idee, über Kunst und Kultur Menschen miteinander in Kontakt zu bringen und kulturelle Gestaltungsmöglichkeiten in der Stadt aufzuzeigen. Für die elfte Auflage wählten die Organisatoren das Motto „Raus in die Stadt“ und luden die Bamberger Bevölkerung an einen Ort, den die meisten Besucher bisher nur von außen kannten: Die Lagarde-Kaserne.

Von der verwaisten Kaserne zum Festivalgelände

Seit dem Abzug der Amerikaner im Herbst 2014 war die Kaserne in der Weißenburgstraße, nahe dem Universitätsstandort Feldkirchenstraße, verwaist. Für vier Tage wurde dieser neue Teil der Stadt zum ersten Mal einem großen Publikum geöffnet. Auch inhaltlich beschäftigt sich das Kontaktfestival mit dem viel diskutierten Thema der Konversion der von der US-Army zurückgelassenen Areale in Bamberg, also der Überführung der ehemals militärisch genutzten Flächen in eine zivile Nachnutzung, wie es die Stadt Bamberg offiziell beschreibt. In einem Fachforum zum Thema Wohnen informierte das Konversionsamt Bamberg die zahlreichen interessierten Bürger über die mögliche Nutzung des Geländes, auf dem sich an den vier Festivaltagen tausende Besucher tummelten. „Zuvor musste aber erst eine Basisinfrastruktur aufgebaut werden“, erklärt Mitorganisator Lorenz Kutzer. Für das Festival wurden innerhalb von zwei Wochen temporäre Strom- und Wasserleitungen gelegt, da die Kaserne nicht mehr an die städtische Versorgung angeschlossen ist.

Der inhaltliche Schwerpunkt Stadtraum wurde in verschiedenen Symposien behandelt: Fragen wie „Wem gehört die Stadt?“ und „Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?“ fanden bei den Besuchern genau so viel Anklang wie das breite künstlerische Programm. Improtheater, Tanzperformances oder die bisher größte Kunstausstellung der Festivalgeschichte in der ehemaligen Werkstatt der amerikanischen Streitkräfte griffen das Motto des Festivals auf.

Kunst in der Militärwerkstatt

Neben einer alten Werkstattdusche, die bis zum Abzug der amerikanischen Soldaten aus der Lagarde-Kaserne von ölverschmierten Mechanikern zum Abduschen benutzt wurde, wurde ein überdimensionierter roter Pömpel platziert. Die künstlerische Bedeutung des Pömpels mit seinem schulterhohem Holzstiel erklärte sich bei einer Führung durch die Kunstausstellung: Er steht dafür, dass die Rohre freigemacht werden müssen, sonst kann die Kunst nicht raus in die Stadt und an die Öffentlichkeit kommen, sondern verbleibt beim Künstler.

Auf 800 m² Ausstellungsfläche wurde das Leitthema „Raus in die Stadt“ künstlerisch ganz unterschiedlich interpretiert. Die ausgestellten Skulpturen, Bilder, Installationen und Videos stammten zu einem großen Teil von regionalen Künstlern, darunter bekannte, aber auch unbekanntere. Wo fängt öffentlicher Raum an, wo hört er auf und wem gehört eigentlich was? Mit dieser Frage und dem Gedankenspiel, sich Orte einfach anzueignen,beschäftigte sich der Künstler David Grimm. Vor Ort sprühte er auf Aufkleber den Schriftzug „Meine Straße“, die passgenau auf Straßenschilder anbringbar wären, und von Besuchern mitgenommen werden konnten.

Daneben lief ein Video mit dem Titel „Achsengang“ vom Bamberger Künstler Gerhard Schlötzer, der mit einer Kamera auf dem Rücken einige Kilometer querfeldein genau Richtung Norden lief. Um auf seinem Weg nicht vom Kurs abzuweichen, sah man ihn im Video über Häuser klettern, und so die Grenzen des öffentlichen Raumes auszuloten: Wo darf ich hin?

Passend zur Kaserne ließ Notburga Karl, die auch als Dozentin für Kunstdidaktik an der Uni Bamberg tätig ist, einen alten Schweizer Armee-LKW zum Kunstobjekt werden, der in der ehemaligen Werkstatt wie stehen gelassen wirkte. Aber auch andere Ansätze zum Motto „Raus in die Stadt“ wurden von über 20 Künstlern präsentiert: Die Überforderung des Menschen durch optische Reize in der Stadt, die permanente Überwachung durch Kameras oder die Besetzung des Stadtraums mit Kunst. Thematisch anknüpfend fand am letzten Festivaltag eine Podiumsdiskussion über Kunst im öffentlichen Raum statt.

„Wir wollen für regionale Künstler eine Plattform sein“, erklärt Mitorganisator Lorenz Kutzer das Konzept des Kulturfestivals, bei dem es auch darum geht, dass die Bamberger die Kunstszene ihrer Stadt kennen lernen können. Neben der Ausstellung tagsüber lockten vor allem an den vier Abenden viele Konzerte. Den Besuchern soll durch die kostenlosen Auftritte von Bands und DJs auch der Zugang zu spezielleren Musikgenres ermöglicht werden, so der 26 Jahre alte Kutzer. „Wir möchten so Sachen nach Bamberg bringen, die wir hier vermissen und die sonst nicht in die Stadt kommen würden.“ Insgesamt traten über dreißig Musikacts auf, vom bekannten Live-DJ Synthek aus Berlin bis zu den Bamberger Volxmusikern Boxgalopp.

Der „Kontakt“ steht nicht nur im Namen im Vordergrund

Neben der Funktion als Plattform möchte das Kulturfestival aber vor allem auch einen sozio-kulturellen Anspruch erfüllen: Verschiedene Bevölkerungsgruppen, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben, sollen in Kontakt kommen. Laut Lorenz Kutzer, der als Besucher das erste Mal 2009 dabei war, wird das Festival heute seinem Namen viel mehr gerecht und schafft es, Kontakt zwischen Alteingesessenen und Studierenden herzustellen.

Besonders bei den Workshops wie Urban Gardening, einem Comic-Zeichnen- oder Nähworkshop klappte dieser Austausch gut. Am Festivalsamstag fand ein Repair-Café mit Schwerpunkt Fahrradreparatur statt. Auf dem Hof der Kaserne waren Fahrräder aufgebockt, daran werkelten vor allem junge Leute unter Anleitung eines Fachmanns. „Im Repair-Café, das Teil der Transition Bamberg Bewegung ist, geht es vor allem um Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärte Fahrrad-Experte Denis Hebert, während eine Studentin unter seiner Anweisung die Schrauben am Lenker ihres pinken Drahtesels nachzog.

Organisiert wurde die mittlerweile elfte Auflage des Festivals von etwa 30 ehrenamtlichen Helfern zwischen 18 und 45 Jahren, erklärte Mitorganisator Kutzer. Dabei betonte er, der selbst Student ist, dass nicht nur Studierende im Team sind, sondern etwa die gleiche Menge der Organisatoren berufstätig oder in einer Ausbildung sind. Noch viel mehr helfende Hände wurden am Festivalwochenende selbst gebraucht. Um den reibungslosen Ablauf aller Aktivitäten zu garantieren, wurden 1.000 Helferschichten à zwei Stunden verteilt. Lorenz Kutzer freute es besonders, dass vor allem viele Berufstätige sich spontan nach dem Besuch des Festivals entschieden hätten, für einen der anderen Tage noch Schichten zu übernehmen.

 

Bilder: Alina Geuppert

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