Am Ende gewinnt die Poesie… Dead or Alive Poetry Slam im E.T.A.-Hoffmann-Theater

06. November 2014 - Maria Dirschauer

Am vergangenen Dienstag luden die Organisatoren von „Bamberg ist Slamberg“ wieder ins E.T.A.-Hoffmann-Theater ein, um „Die Nacht der Lebenden, Toten“ zu zelebrieren. Es handelte sich dabei um den bereits siebten Dead or Alive Poetry Slam in Bamberg.

Was das ist? Das normale Konzept von Poetry Slams wird erweitert, indem man „lebende Dichter“, also bekannte deutsche Slamer, gegen „tote Dichter“, die von Schauspielern des Theaters verkörpert werden, antreten lässt. Im Falle dieses DoA-Slams waren auf Seiten der Lebenden zu Gast: Malte Rosskopf, Patrick Salmen, Quichotte und Zoe Hagen. Das Team der Wiederauferstandenen gab Werke von Sylvia Plath, Amy Winehouse, Falco und Erich Kästner zum Besten. 

Der Zuschauerraum des Theaters war bis auf den letzten Platz gefüllt, das Theaterpersonal leicht überfordert und Hoffnungen auf Restplätze an der Abendkasse mussten um kurz vor 20 Uhr zerstört werden. Sogar ein DJ wurde eigens engagiert und auf der Bühne platziert, hinter ihm gab es auf einer Leinwand Video-Einspielungen zu den jeweiligen Poeten, die man aber von den oberen Rängen leider kaum sehen konnte.

Die Moderation übernahmen Christian Ritter - einer der bekanntesten Bamberger Poetry Slamer - und Nora Gomringer von der Villa Concordia. Ritter stimmte das Publikum ein, indem er die Jury, die wie bei jedem Slam die Beiträge mit Punktekarten zwischen 1 und 10 bewertet, auf witzige Art per Stellenbeschreibung auswählte.  So wurde beispielsweise ein Juror ernannt, weil er „irgendwas an der Feki“ studiert, ein anderer, weil er „keine Ahnung hat, was hier heute passiert, mitgeschleift wurde und vermutlich zwischen 35 und 50 Jahre alt ist“. Das war Schorsch.

Guter Stimmung wurden nun die ersten Poeten auf die Bühne geholt. Auf den Berliner Malte Rosskopf, der auf lustige Art und Weise über Flirten und gescheiterte Beziehungen sprach, folgte die wiederauferstandene Sylvia Plath (für diejenigen, die diese Dame ebenfalls nicht kennen: amerikanische Schriftstellerin, lebte 1932-1962, beging Selbstmord), die in ihrem Gedicht „Schnitt“ über einen fast abgetrennten Daumen sinnierte, was dann doch kurzzeitig eine etwas depressive Stimmung hinterließ.

In der nächsten Runde konnte Patrick Salmen (erster Platz bei der Poetry-Slam-Meisterschaft 2010 und mit einer extrem angenehmen Stimme gesegnet) das Publikum wieder fröhlich stimmen mit einem Text namens „Hugh Grant, der auf Seekühe starrt“, in dem er empfiehlt, dreist zu sein und Verwirrung zu stiften – Tipps fürs Alltagsleben eben! Als tote Dichterin folgte darauf Amy Winehouse, die in sehr veränderter, eher untypischer Art die Bühne betrat, nämlich als Mann in High Heels. Aber natürlich fehlten die Flasche Hochprozentiges und ein Joint nicht, während er/sie/es den Text zu „Rehab“ vortrug.

Wieder heiterer wurde es beim Auftritt von Quichotte, einem Kölner Rapper und Slamer, der zunächst (absichtlich schlechte) Liebeslyrik zum Besten gab und anschließend einen Text zu den Vorzügen des Aufwachsens auf dem Lande, wo er sich in seiner Jugend die Zeit mit Drogen und Poesie vertrieb. Daraufhin kam der beste Auftritt auf Seiten der verstorbenen Dichter, nämlich Hans Hölzel alias Falco, der mit Trenchcoat, Sonnenbrille und feinstem Wiener Dialekt seine Texte vortrug, darunter selbstverständlich auch „Jeanny“, das jedem bekannt sein dürfte. Beeindruckend, wie er mit leichtem Wahnsinn in der Stimme abwechselnd ganz ruhig sprechend, dann wieder den Namen schreiend, sich schließlich ein Glas Wasser über den Kopf schüttete und mitsamt Mikrofon auf den Bühnenboden sank.

Als „jüngste und weiblichste“ Teilnehmerin auf Slam-Poeten-Seite trat dann die Berlinerin Zoe Hagen an, die das Publikum ebenfalls zu begeistern wusste, indem sie über ihre Meinung zum Veganismus-Wahn berichtete und auch andere riskante Themen wie Religion und Rassismus auf politisch unkorrekte Weise ansprach, „aber sie darf das, weil sie schwarz ist“. Als Letzter im Bunde der toten Dichter folgte Erich Kästner, nachdem man schon anfangen konnte zu denken, die Verstorbenen seien diesmal aufgrund von depressivem Suizid oder Drogentod ausgewählt worden (Kästner verstarb übrigens in relativ hohem Alter an Krebs), mit verschiedenen Texten, z.B. „Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag“. Der Vortrag war zwar gut, konnte aber dennoch nicht so mitreißen wie andere Poeten vor ihm.

Nun stand das Finale an, in dem noch einmal die zwei (nach Punktewertung) besten Poeten aus jeder Gruppe auftraten, nämlich sowohl Falco und Erich Kästner als auch Zoe Hagen und Patrick Salmen und Quichotte. Letztere durften wegen Punktgleichstand als Duo antreten, was für sie aber kein Problem darstellte, da sie zusammen als „Der Schreiner & Der Dachdecker“ durch Deutschland touren. Somit stach auch diese Performance heraus, da es sich um einen A-cappella-Rap handelte, bei dem das Publikum eingebunden wurde, indem es an gewissen Stellen auf ein Zeichen hin den äußerst schlüssigen Satzfetzen „Ist ein Pokemon-Trainer!“ rufen durfte. Dabei entstanden dann so Sätze wie: „Dieser ganze deutsche Rap – ist ein Pokemon-Trainer! Deine Mutter und dein Dad – ist ein Pokemon-Trainer!“ Ekstatische Lachsalven oder zumindest schmunzelndes Kopfschütteln blieben da nicht aus.

Am Ende wurden die Punkte von allen Teilnehmern zusammengezählt. Die lebenden gewannen mit ordentlichem Vorsprung vor den toten Dichtern und konnten so den Preis „Crazy Hoffmann“ einheimsen.

Fazit

Erstens: Das nächste Mal früher da sein und sich einen guten Platz sichern, alternativ ein Fernglas und Sitzerhöhung mitbringen. Zweitens: Es war ein schöner Abend, bei dem die lebenden Dichter insgesamt mehr überzeugen konnten als die toten. Aber das ist ja auch nicht so wichtig, denn am Ende gewinnt immer die Poesie. :-)