Lachen im Angesicht der Verzweiflung - Der Zwiespalt zwischen Prokrastination und Elend

20. Juli 2016Enya Assmann

Die ehemalige Studierendengruppe des ETA Hoffmann Theaters hat sich nun als "Studi-Oh!" neu entfaltet und probt zurzeit intensiv an ihrem Stück "Kaspar Häuser Meer". Im Interview mit Feki.de verrät uns die Gruppe, wer sie ist, warum die Universität Bamberg eine deutschsprachige Theatergruppe braucht und weshalb ihr Stück auch den Zuschauer an seine Grenzen bringt.

Feki.de: "Studi-Oh!" - Wer genau seid ihr und was macht ihr?

Studi-Oh!: Wir waren bis zum Intendantenwechsel 2015 unter dem Namen ‘jETA Studi-o‘ die studentische Theatergruppe des ETA Hoffmann Theaters Bamberg. Da wir alle weiterhin aktiv Theater spielen wollten, haben wir uns jetzt quasi selbstständig gemacht. Augenblicklich sind wir vier Frauen, die aus unterschiedlichen Bereichen, z.B.der Germanistik, Anglistik und Theaterpädagogik kommen. Uns alle verbindet der Wunsch nach einer deutschsprachigen Theatergruppe an der Universität Bamberg.

Feki.de: Von jETA zu Studi-Oh! Was bewirkte dieser Wandel?

Studi-Oh!: Für uns war dies eine große Herausforderung. Es ist sehr schwierig, in Bamberg geeignete Proberäume und Aufführungsorte zu finden. Daher sind wir der Alten Seilerei und der Kulturförderung Bamberg unheimlich dankbar, dass mit dem Standort Alte Seilerei nun ein neuer Kulturraum geschaffen wurde. Außerdem gilt ein herzlicher Dank der Germanistik der Uni Bamberg, die uns einen Proberaum zur Verfügung gestellt hat.

Natürlich war die häufige Benutzung der Räumlichkeiten des ETA Hoffmann Theaters unter der Leitung von Rainer Lewandowski durch Laiengruppen eine Belastung für das Haus. Dennoch hat das Theater mit dieser Offenheit für Laiengruppen eine wichtige Funktion erfüllt: als kulturelles Zentrum, das mit der ganzen Stadt verbunden ist. Das überall hin spürt, in alle Schichten, alle Geisteshaltungen und alle Altersgruppen. Insbesondere wurden so viele Studierende ins Theater gezogen. Eine Tatsache, die vor allem der aktiven Werbeunterstützung von Seiten des Theaters zu verdanken war. Vorher hatten wir den Luxus, dass alles für uns organisiert wurde. Jetzt müssen wir selber schauen wie wir Tickets drucken, wo wir diese verkaufen, wie Lizenzgebühren geregelt werden und noch vieles mehr.

Feki.de: Hat die Germanistik starken Einfluss auf eure Arbeit?

Studi-Oh!: Bei uns steht die Literatur im Zentrum. Wir stellen uns die Frage, wie ein Text angelegt ist, was thematisch dahintersteckt und wie die Figuren zu verstehen sind. Es geht uns darum, hinter den Text und das Spiel zu blicken. Es geht nicht darum, den bloßen Text auswendig zu lernen, sondern der Frage nach dem Wieso nachzugehen. Inzwischen sind wir schon so weit, dass jeder von uns, bevor er überhaupt den Mund aufmacht, zuerst wissen will, warum.

Feki.de: Warum braucht die Germanistik eine Theatergruppe?

Studi-Oh!: Wir haben schon zahlreiche Zuschriften von Leuten bekommen, die mehr über unser Stück wissen wollen oder bei uns mitmachen möchten. Das Interesse ist auf jeden Fall da, es gibt zahlreiche fremdsprachige Theatergruppen, aber eben keine deutschsprachige Gruppe von Studierendenseite. Wir wollen den Studierenden zeigen, was Theater bedeuten und verändern kann. Und es ermöglicht etwas Praktisches, was im Studium häufig fehlt.
Unsere Hoffnung ist daher, irgendwann einmal von der Universität nicht nur ideell, sondern auch finanziell unterstützt zu werden, ähnlich wie andere fremdsprachige Studierendengruppen. Momentan müssen wir uns leider noch selbst finanzieren und das ist ein sehr kostspieliges Hobby.

Feki.de: Ihr spielt Ende Juli das Stück "Kaspar Häuser Meer". Worum geht es in diesem Stück?

Studi-Oh!: Unser Stück spielt im Jugendamt, wo Beamtentum und Papierkram auf die essentielle Gefahr für extrem hilfsbedürftigen Menschen treffen. Was tun, wenn du eigentlich deine Stunden stempelst, aber irgendwo ein Kind misshandelt wird? Wie kann man, wenn man nur fünf Minuten für eine Entscheidung Zeit hat, richtig handeln, für eine Familie, in die man ja nicht reinschauen kann? In der heutigen Zeit gibt es viele Menschen, die für das, was sie tun, absolut brennen. Die helfen wollen, die das Richtige tun wollen und sich daran aufreiben und am Ende nicht einmal mehr sich selbst helfen können. Jeder von denen weiß, er kann eigentlich nicht mehr, aber er weiß auch, was für ein menschliches Elend und Leid entstehen, wenn er es nicht macht. Das Schöne an dem Stück ist, dass man sich sehr oft angesprochen fühlt. Viele Aspekte des Phänomens Burnout kennt jeder in den studentischen Kreisen. Jeder hat es bereits in verschieden starkem Maß empfunden. Gerade jetzt in der Prüfungsphase.

Feki.de: Das klingt dramatisch...

Studi-Oh!: Das tut es tatsächlich, aber das Stück ist auch ungeheuer lustig. Die Dramatik wird dabei so stark überzeichnet, dass es komisch wird. Allerdings werden auch die Grenzen dieses Unterhaltungswertes getestet. Der Zuschauer fragt sich: "Warum lache ich eigentlich über eine solche Situation?"

Feki.de: Wie läuft die Zusammenarbeit in der Gruppe und wie ist die Stimmung untereinander?

Studi-Oh!: Generell kommt man sich durch Theater und das offene Sprechen über die Rollen unglaublich schnell emotional näher. Dabei bleibt aber alles in einem geschützten Umfeld. Private Dinge, die Zugang zur Rolle ermöglichen, bleiben innerhalb der Gruppe. Theater spielen hilft dabei, sich selbst zu erkennen und sich selbst zu leben. Und immer wenn man denkt, man weiß alles über sich selbst oder die anderen, dann kommt das nächste Stück und man merkt, dass man noch tiefer gehen kann.

Feki.de: Ein kleiner Ausblick in die Zukunft - Welche weiteren Projekte stehen bei euch an, wie sehen eure Pläne aus?

Studi-Oh!: Einen genauen Plan haben wir noch nicht. Viel wird sich auch aus der Besetzung ergeben. Wir sind gespannt darauf, neue Leute bei uns zu begrüßen. Deswegen betreiben wir unsere Facebook-Seite sehr aktiv. Wer bei uns mitmachen will, der sollte sich einfach unser Stück ansehen und entscheiden, ob es das ist, was sie oder er will. Ansonsten ist der Plan mindestens einmal im Jahr ein Stück zu spielen. Mal sehen, was uns im nächsten Jahr anspricht.

Ein schneller Überblick über das Stück "Kaspar Häuser Meer" von Studi-Oh!

Wann? 28. / 29. / 30. Juli jeweils 19:30 Uhr
Wo? Alte Seilerei Bamberg
Tickets: Collibri und ComixArt
Preis: 6 Euro / 3 Euro (ermäßigt)

Aktuelle Infos auf: www.facebook.com/studiohBamberg/

Bildnachweis: 
Andreas Benker; Studi-Oh!