Töte mich!

17. November 2015 -

Töten heißt küssen. Töten heißt küssen. Töten heißt küssen! In der kanadischen Provinzstadt Pontypool läuft so einiges verkehrt. Menschen reden wirres Zeug, stürmen eine Klinik, zerren Personen aus ihren Autos und fallen über sie her. Der Grund: Ein Virus.

 

„Guten Morgen Pontypool, hier ist Radio 660, das Leuchtfeuer, direkt aus unserem kleinen aber feinen Kerkerstudio unter der Drum Street und ich werde sie bestimmt gut unterhalten heute morgen. Ich bin Grant Mazzy und ich werde wie immer keine Gefangenen machen.“

Im Radiosender CLSY gehen Moderator Mazzy, Aufnahmeleiterin Sidney Briar und Assistentin Laurel-Ann Drummond ihrer täglichen Arbeit nach: Wetter, betrunkene Einheimische oder die vermisste Katze Honey – langweilige Routine, mit der Mazzy nichts anfangen kann. Selbst der Auftritt der Musikgruppe Lawrence von Arabien kann die Stimmung in Studio nicht aufhellen; auch nicht die frappierende Ähnlichkeit des Sängers mit Osama bin Laden.

Doch der heutige Valentinstag nimmt eine merkwürdige Wende. Einige Einwohner Pontypools stürmen eine Klinik. Später werden Passanten angegriffen, aus ihren Autos gezerrt und ihre Gliedmaßen wie von Piranhas angebissen. Mazzy und seine Kolleginnen können diese Meldungen ihres Außenkorrespondenten Ken Loney kaum glauben. Abgeschottet von den Geschehnissen versuchen die drei die Fassung zu bewahren und ihrer Arbeit nachzugehen.

Doch die Lage verschärft sich: Die aufgebrachte Menschenmenge versucht in die Räume des Radiosenders einzudringen. Dabei wird Sidney Briar verletzt und die Assistentin mutiert selbst zum Zombie. Auch der Klinikbesitzer Dr. Joan Mendez gelangt zum Sender. Um sich vor der drohenden Gefahr zu schützen, verbarrikadieren sich Mazzy, Briar und Mendez im schalldichten Aufnahmestudio. Während sich der Zustand von Assistentin Drummond immer weiter verschlechtert, kommt Dr. Mendez dem merkwürdigen Verhalten langsam auf die Spur:

„Es ist ein Virus. Aber nicht im Blut, nicht in der Luft und auch nicht in unseren Körpern. Es ist hier. Es ist in Wörtern. Nicht in allen Wörtern. Aber in den meisten. Die meisten Wörter sind infiziert. Unsere Wörter sind der Wirt. Erst wenn das Wort verstanden wurde, kann das Virus sich durchsetzen.“

Doch wie kann man das Virus aufhalten? Wie kann man aufhören seine eigene Sprache zu verstehen? Mazzy löst das Rätsel: Die einzige Waffe gegen den Virus ist die Sprache selbst. Alle infizierten Wörter benötigen eine neue Bedeutung. Der Himmel ist eine Person. Klingel bedeutet Enkel. Töten heißt küssen. Doch schafft er es rechtzeitig, diese Erkenntnis zu verbreiten und sich und seine Stadt von dem Virus zu befreien?

Der Radiosender mit seiner Aufnahmekabine steht im Zentrum des Geschehens. Auf engstem Raum und mit überschaubarer Zahl der Darsteller kommt das Theaterstück Pontypool mit wenig Action aus. Lediglich mittels Sprache, in Form von Anrufen, wird eine Verbindung zur Außenwelt hergestellt: Nur über Worte findet eine Annäherung zu den verstörenden Ereignissen außerhalb statt. Die Abgeschiedenheit und Mazzys Empfindung, in einem Kerkerstudio zu arbeiten, werden durch den Vorführungsort verstärkt. Das Kellergewölbe der Sky Lounge verschafft dem Zuschauer das Gefühl von Enge und Isoliertheit.

Die Umsetzung des Stücks hält sich dabei stark an den gleichnamigen Film des Regisseurs Bruce McDonald aus dem Jahr 2008. Das Drehbuch zu diesem Film schrieb Tony Burgess, Autor des 1998 erschienenen Romans Pontypool Changes Everything, der als Vorlage für den Film diente. Besonders hervor sticht die Rolle des Dr. Mendez, gespielt von Nicole Espinoza. Im Gegensatz zum etwas ruhigeren und bedächtigeren Filmcharakter zeigt das Stück einen verrückten Professor. Aufgeregt, durcheinander und chaotisch verleiht die Rolle der sonst angespannten Stimmung im Radiosender eine gewisse Ironie.

In der Umsetzung des WildWuchs Theaters feierte Pontypool letzten Freitag seine Premiere. Freitag der 13. – eigentlich der perfekte Tag für ein Stück über Zombies und das Unglück einer Kleinstadt. Für die Macher aber auch ein bisschen Nervenkitzel. Doch neben einem Kabelbruch und einem kleinen Stromausfall „sind wir noch gut davon gekommen“, so Johannes Haußner, Regisseur der Inszenierung.

Wer wissen will, ob Mazzy aus seinem Radiostudio den Sprachvirus besiegen kann, hat noch vier Mal die Gelegenheit dazu: Jeweils am 18.11., 26.11., 6.12. und 9.12. gehen in Pontypool die Zombies um. Einlass ist um 19:30, Beginn der Vorstellung um 20 Uhr. Der Vorverkauf findet in der Buchhandlung Collibri und dem BVD Kartenservice statt. Die Kosten für Studenten betragen 7 Euro im Vorverkauf und 9 Euro an der Abendkasse.

„Die Nachricht des Tages: Es ist nicht das Ende der Welt. Es ist nur das Ende dieses Tages. Ihr hört Grant Mazzy, für CLSY Radio Nirgendwo und ich bin immer noch hier.“

Text: Pina-Marie Heistermann, Fotos: Denis Meyer

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