„Put on a happy face” - Eine Filmkritik zu "Joker"

28. November 2019Fromm Frauke

Joaquin Phoenix ist Produzent, Regisseur aber vor allem Schauspieler und als dieser erhielt er schon einige Nominierungen für einen Golden Globe Award oder auch einen Oscar. Unter anderem war Phoenix nominiert für seine Hauptrolle in The Master oder als Johnny Cash in Walk the Line. Doch mit seiner neuesten Hauptrolle als „Joker“ hat er sehr gute Chancen den Oscar auch zu bekommen. Als bester Film wurde Joker von Regisseur Todd Phillips bereits mit dem Goldenen Löwen in Venedig ausgezeichnet. Die Chancen stehen also sehr gut.

Der „Joker“ heißt eigentlich Arthur Fleck. Er ist ein schüchterner, zurückhaltender Typ, der kein besonderes Aussehen hat und auch sonst eigentlich nicht weiter auffallen würde. Wäre da nicht seine Krankheit. Zu jeder Zeit, egal ob passend oder nicht, kann es passieren, dass Arthur Fleck lacht. Und wenn er lacht, lacht er nicht nur in sich hinein und es könnte als Husten getarnt werden. Nein. Er lacht aus vollem Halse und kann gleichzeitig nichts dafür. So kommt es, dass es vor allem in den unpassendsten Momenten passiert und die Menschen um ihn herum ihn natürlich nicht verstehen. Er ist der Typ Mensch, der in der Gesellschaft untergeht. Zum einen, weil er zunächst kein Selbstbewusstsein zu haben scheint und zum anderen, weil er keinen großartigen Job oder gar eine nennenswerte Ausbildung hat. Zumindest wird dies im Film nicht thematisiert. Arthur hat lediglich einen Job in einer Clownsagentur und wohnt bei seiner alternden pflegebedürftigen Mutter (Frances Conroy).

Die Gesellschaft ist schuld

Der Clowns-Job ist natürlich nicht der beste Job dieser Welt. Arthur wird überfallen und dann wird ihm das von seinem Chef noch nicht einmal geglaubt. Zur Selbstverteidigung eine Pistole? Keine gute Idee, denn schnell ist Arthur den Job endgültig los. Und dann sind da noch die anderen Menschen in der Stadt, die ihm auf seinen Arbeits-, Heimwegen oder auch im Wohnhaus begegnen. In ihren Blicken ist zu lesen, dass sie ihn für eine sehr suspekte Gestalt halten. Sie trauen ihm nicht über den Weg und das Lachen hilft nicht dabei den Eindruck ins Gegenteil umzukehren. Selbst die Sozialarbeiterin, bei der er ein Mal in der Woche ein Gespräch hat, hört ihm nicht mal richtig zu. Nicht nur Arthurs persönliches Leben geht den Bach runter, sondern im Grunde auch die ganze Stadt Gotham-City. Die Stadt gerät zunehmend in einen Ausnahmezustand. Der Müll wird nicht mehr abgeholt und die Ratten breiten sich in der Stadt aus. Die Menschen aus ärmeren Vierteln werden wie Luft behandelt und werden von der Oberschicht ignoriert und nicht ernst genommen. Aus der Sicht der „Oberen“ sind sie einfach nur Clowns.

Den sozialen Abstieg Arthurs bekommt der Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes unausweichlich mit. Die Kamera begleitet Arthur auf Schritt und Tritt und es gibt keine Szenen in denen ausschließlich jemand anderes gezeigt wird. Als Zuschauer ist man förmlich gezwungen bei Arthur zu bleiben und es ist nicht möglich ihm zu entkommen, ihm auszuweichen oder gar wegzusehen. Oft arbeitet die Kamera mit Naheinstellungen, die das Gefühl in den Film hineingesogen zu werden nur verstärken. Zudem zeigt sich durch diese Kameraarbeit wie allein Arthur ist und dass er eigentlich einfach nur Mitgefühl verdient hat.

Vom „Joke“ zum „Joker“

Der bemitleidenswerte Arthur wird immer mehr zu einer Person, der nicht mehr über den Weg zu trauen ist. Er wird radikal und es lässt sich nicht einwandfrei beurteilen, ob er die Persönlichkeit des „Jokers“ bewusst annimmt oder ob er eine psychische Störung entwickelt hat oder sogar schon vorher hatte. Arthur wird so sehr von der Gesellschaft missverstanden und unterdrückt, dass sein Drang endlich aus diesem Schatten aufzutauchen übermenschlich wird. Und welches Medium ist besser geeignet, um gesehen zu werden, als das Fernsehen? Der Fernseher spielt eine fast schon eigene Rolle in Joker. Jeden Tag nachdem Arthur von der Arbeit zu seine Mutter nach Hause kommt läuft das Gerät und eine Talkshow mit Murray Franklin (Robert De Niro). Auch überall sonst im Film werden die Nachrichten der Stadt über den Fernseher im Hintergrund vermittelt. So ist es nicht verwunderlich, dass der „Joker“ seinen großen Auftritt in der Murray-Franklin-Show bekommt. Und der Showdown dann auch noch in mehreren Screen-Füllenden Fernsehern aufgegriffen und die Verrücktheit des Ausmaßes gezeigt wird.

Unterstützend wie Arthur zum „Joker“ wird, wirkt auch die Filmmusik. „That’s Life“ von Frank Sinatra ist dabei wohl der markanteste Song. „That’s Life“ ist gleichzeitig der Abschlusssatz jeder Sendung von Murray Franklin und klar ist, dass der „Joker“ sich diesen Satz natürlich nicht nehmen lässt am Ende seines Auftritts bei Franklin. Das Lied verwandelt sich für den „Joker“ zum Symbol. Er war am Ende, ein Außenseiter, lag am Boden und wurde noch mit den Füßen getreten und jetzt steht er auf und wehrt sich. Hätte sich für ihn nichts geändert, wäre wohl ein Selbstmord zu erwarten gewesen. Stattdessen radikalisiert sich der „Joker“ nur immer weiter und badet in der Anerkennung, die ihm die Einwohner von Gotham inzwischen entgegenbringen. Denn durch seine Aktionen ist eine Bewegung entstanden, bei der die Leute ebenfalls aufstehen, sich gegen das System wehren und endlich Anerkennung finden wollen. Auch die eigens komponierte Musik von Hildur Guðnadóttir, die auch schon die Musik zu Filmen wie Arrival oder The Revenant gemacht hat, unterstreicht die Persönlichkeitsentwicklung des „Jokers“. Die vollen Klänge der Streicher betonen, wie einsam Arthur ist und lassen den Film gleichzeitig immer bedrohlich wirken. Durch diese nachdrückliche Musik verstärkt sich der Eindruck sich dem Film und vor allem dem „Joker“ nicht entziehen zu können.

Joaquin Phoenix ist es gelungen durch seine schauspielerische Leistung zu vergessen, dass dies ein fiktionaler Film ist. Die Persönlichkeiten von Arthur und dem „Joker“ werden plausibel und beängstigend zugleich dargestellt und er hat es geschafft ihm eine ganz persönliche Note zu verleihen. Die Vereinigung dieser Charaktere und die gute Umsetzung ist es wohl, was Phoenix den Oscar einbringen könnte. Denn wenn an einen herausragenden „Joker“ gedacht wird, wird meistens Heath Ledger benannt, der ihn in The Dark Knight darstellte und Phoenix hat es geschafft aus diesem Schatten herauszutreten und ein eigener „Joker“ zu werden.

Joker ist eine radikale Gesellschaftskritik, der sich auf visueller und auditiver Ebene niemand entziehen kann. That’s Life so put on a happy face.

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