Ein Plädoyer für Vielfalt und Menschlichkeit

13. Mai 2015Carolin Fügener

Es gibt nicht viele Orte, an denen sich rockiger Gospel, kirchliche Blechblasmelodien und andächtiger islamischer Gesang auf der gleichen Veranstaltung finden lassen. Im Vorlesungssaal der katholischen Fakultät der Universität Bamberg konnte man den Wunsch nach einer offenen und friedlichen Gemeinschaft am Abend der Multireligiösen Feier am 7. Mai 2015 mit dem Thema „Bildung“ fast mit Händen greifen. So nutzte die Kanzlerin der Universität Bamberg den Anlass, um die große Bedeutung von Bildung in den Religionen und den Kulturen zu betonen. Sie verwies auf das Paradoxon, wenn wir einerseits sofortige umfassende Integration erwarten, andererseits aber Menschen aus anderen Kulturen nicht ganzheitlich einbeziehen. Wer allerdings nicht das Gefühl hat dazuzugehören, der kann sich auch nicht identifizieren, und das ist die Grundlage jedes Integrationsprozesses.

Der Mensch im Mittelpunkt

Der Christliche Hochschulseelsorger legte dar, dass in der Religion der Mensch immer im Mittelpunkt steht, und zwar mit seinem ganzheitlichen Leben, allumfassend. Wichtig ist es, die gegenseitige Freiheit zu wahren und den Respekt voreinander zu leben. Eine multireligiöse und vielfältige Gesellschaft zeichnet sich aus durch die Fähigkeit der Begegnungen, des Miteinandersprechens und des Zuhörens.

Dr. Ab del-Halim Ragab vom Lehrstuhl der Arabistik vertrat ebenfalls die Ansicht, dass Bamberg in dieser Hinsicht beispielhaft ist. Die Bildung hat gerade in der islamischen Tradition einen hohen Stellenwert: Schon in den Offenbarungen kommt die Aufforderung zum Lesen, was Rezitieren und Vortragen nach sich zieht. Ursprünglich lag der Schwerpunkt auf der mündlichen Wiedergabe eines Lehrers, doch auch das Schreibrohr unterstreicht den Aspekt der Schriftlichkeit. Schon die allererste Offenbarung Gottes ist also bestens für den Weg der Bildung ausgestattet. Durch den hohen Stellenwert des Lesens und Schreibens hatte die islamische Kultur einen hohen Anteil von Kulturvermittlung inne. Der Vertreter der muslimischen Hochschulgruppe in Bamberg betonte nicht nur die Verknüpfung von Religion und Bildung, zugleich ließ er die Gelegenheit nicht aus, auch ein politisches Statement gegen Rassismus, für religiöse Toleranz und gegen religiösen Fanatismus zu setzen. Laut Al Ghasᾱli hat der Mensch ein Raubtier in sich, einen Teufel und so sollte man nie den Blick in den Spiegel vergessen und das eigene Tun hinterfragen. Wir leben in einer Zeit, in der wir zwischen terroristischen Anschlägen und religiöser Freiheit auch über die Wirkung unseres Verhaltens reflektieren sollten. Was die Menschen benötigen in dieser Gesellschaft ist Geduld, Ausdauer und Nachsicht.

Lernen in Gruppen ist hilfreich

Die Vertreterin und der Vertreter von der jüdischen Hochschulgruppe Hillel und dem Café Israel Bamberg zeigten in ihren Talmudauslegungen noch einen anderen Blickpunkt von Bildung. Zum einen ist da der Aspekt des Sozialen. Die besondere Bedeutung eines Partners beziehungsweise Freundes zeigt sich gerade beim Lernen: Die Disziplin eines Weisen lässt sich nur durch einen Partner verbessern. Auch die Rabbinen stellen sich gegenseitig Fragen. Für Studierende lässt sich darauf der Schluss ziehen, dass zusammen Lernen mehr Motivation bringt, neue Sichtweisen auftun kann und Strukturen gibt. Mit einem Zitat von der Schriftstellerin Edith Stein

„Es ist durchaus möglich katholisch und intelligent zu sein.“

erntete die jüdische Studentin viele Lacher auch auf christlicher Seite. Ebenso fand die Wichtigkeit von religiösem Wissen ihre Erwähnung. So kann nach jüdischer Perspektive nur Recht von einem religiös bewanderten Lehrmeister gesprochen werden. Religiöses Wissen ist aber auch in anderen Bereichen von Bedeutung: Wissen und religiöse Traditionen sind notwendig, um nicht in die Beliebigkeit zu verfallen. Ein Leben innerhalb der Aufklärung, aber auch über die einseitigen Maximen der Aufklärung hinaus, ist daher erstrebenswert. Mit einem Appell schloss die Studentin: Es ist unsere Aufgabe vernünftig, intelligent, gerecht und vielleicht aus diesem Sinne auch religiös zu sein.

Der Blick des Christentums

Bildung in den heiligen Schriften war wiederum das Thema, welchem sich die katholische und die evangelische Hochschulgruppe verschrieben hatten. Wie es sich für ordentliche Christen gehört, wurde ausführlich Paulus zitiert und ein Bezug auf die Urchristliche Gemeinde von einer Lehr- und Lerngemeinschaft gezogen. Schon vor über 2.000 Jahren war es wichtig zu verstehen und so ist das auch heute unter Studierenden nicht anders. Um verstehen zu können, ist das gemeinsame Gespräch unabdingbar und so wird Bildung zu einem sozialen Geschehen. Paulus brachte ein bildungspolitisches Programm auf mit einem neuen, ganzheitlichen Bildungsbegriff. Auch in dem universitären Raum kann man dies erkennen: Zwar besteht der Fächerkanon einer Universität aus einzelnen Fachgebieten, diese sind aber aufeinander bezogen und stehen miteinander in Verbindung, so wie auch der erste Korintherbrief die Einheit der einzelnen Glieder zu einem Leib betont. Wir müssen voneinander und miteinander lernen, denn auch Bildung kann nur im Dialog funktionieren.

Neben religiösen Schriften und ihren Auslegungen fanden auch religiöse Riten ihren Platz in der Multireligiösen Feier der Universität Bamberg. In der Friedensbitte wurde darauf hingewiesen, dass wir nicht nur eine Erinnerungsgemeinschaft sind, sondern auch eine Lerngemeinschaft – und daher auch fähig Frieden zu lernen. Neben den verstorbenen Lehrenden und Studierenden wurde ebenso der ertrunkenen Menschen im Mittelmeer gedacht, die auf der Suche nach einer lebenswerten Zukunft den Tod gefunden haben.

„Imagine all the people…“

Die Multireligiöser Feier der Universität Bamberg legte ihren Schwerpunkt in diesem Semester auf Bildung – und auf die Chancen, die sich daraus ergeben. Die christliche Perspektive zeigt auf: Der Mensch an sich ist gebildet. Zum einem gebildet vor Gott, zum anderen trägt er die Bildungsfähigkeit in sich, er ist zum gegenseitigen Gespräch geboren. Während darauf hingewiesen wurde, dass der Talmud auch die sogenannten „Soft Skills“ bereits erwähnt, die auch für heutige Studierende äußerst relevant sind, wurde der große Gewinn durch Gruppenarbeiten aus jüdischer Sicht betont. Glauben lässt sich nicht ohne Wissen praktizieren und so lautet schon eine wichtige Aufforderung im Koran „Lies!“, also auch die Aufforderung zu Bildung. Die Kanzlerin Frau Dr. Steuer-Flieser hob schließlich den hohen Stellenwert der Multireligiösen Feier hervor, da zwei Dinge besonders wichtig sind. Zum einem ist dies die Ermöglichung von gegenseitigem Wissen. Zum anderen dieses Wissen auch öffentlich zu teilen, damit Bildung überhaupt wachsen kann.

Fotos: Universität Bamberg

Bild 1: Multireligiöse Feier SS 2015: v.l.n.r.: Dr. Alfons Motschenbacher, Hochschulseelsorger der Katholischen Hochschulgemeinde; Georg Böllner-John, Pastoralreferent bei Mentorat Bamberg; Dr. Dagmar Steuer-Flieser, Kanzlerin der Universität Bamberg; Raphael Quandt, Hochschulseelsorger der Evangelischen Studierendengemeinde; Dr. Abd al-Halim Ragab, Lektor an der Professur für Arabistik.

Bild 2: Multireligiöse Feier: Das Blechprojekt der Evangelischen Studierendengemeinde

Bild 3: Multireligiöse Feier: Der Chor „Flames of Gospel“ der Katholischen Hochschulgemeinde