„Kanaan - The Story of Abraham": eine Heavy Metal Oper

28. Mai 2015 - Carolin Fügener

Trockene Wüste, eine karge Landschaft und am Rand eine überdimensionale Hand, aus der Blut zu tropfen scheint: Während der Bayerischen Theatertage erlebten die TheaterbesucherInnen mit Musik der Metalband Orphaned Land die biblische Geschichte neu!

Es gibt nur wenige Passagen aus der Bibel, die fast jeder kennt – die Geschichte von Abraham und der beinahe-Opferung seines Sohnes Isaaks gehört aber definitiv dazu. In dem Gründungsvater der Juden, Christen und Muslime vereinigen sich die Wurzeln der drei Buchreligionen, wenn auch das Gemeinsame nicht über unterschiedliche Bedeutungen hinwegtäuschen soll. Das Landestheater Schwaben hat keine Mühen gescheut, die uralte Geschichte modern auf die Bühne zu bringen. Die israelische Metalband Orphaned Land komponierte die Musik zu der Heavy Metal Oper und erschuf neben der archaisch anheimelnden Wüstenkulisse auch eine Konzertatmosphäre im großen Haus des E.T.A.-Hoffmann-Theaters Bamberg.

Der Inhalt ist geläufig: Abraham ist mit Sara verheiratet, doch seine Frau kann ihm keine Kinder und damit keinen Stammhalter schenken. Überzeugt von ihrer Unfruchtbarkeit nutzt Sara ihr ägyptische Sklavin Hagar als Leihmutter. Hagar wird von Abraham schwanger und gebiert einen Sohn, Ismael. Doch auch bei Sara erfüllt sich unerwartet ihr Kinderwunsch mit Isaak. Daraufhin bittet sie ihren Mann, dass er Hagar und Ismael verstößt. Der Engel Gottes nimmt sich den in der Wüste Ausgesetzten an und so wird Ismael der Stammvater der Muslime, während Isaak der Stammvater der Juden wird.

Worüber die Bibel eher trocken Auskunft gibt, ergießt sich auf der Bühne in einer Ekstase von Gefühlen. Liebe, Leidenschaft, Sex, Wut, Trauer, Angst und Hass geben sich die Hand unter einem beeindruckenden Bühnenbild. Abraham und Sara schweben zwischen Lust und Liebestaumel, welche in hilfslose Verzweiflung münden. Abraham, der Gottesfürchtige und Gehorsame, ist dies nicht nur vor Gott. Nach Saras Angebot, sich ihrer Magd zu bedienen, lässt er sich nicht lange bitten und so folgt der unvermeidliche Eifersuchtskrieg. Hagar kann mit ihrer Jugendlichkeit trumpfen, doch gegen ihre mächtige Herrin hilft das wenig. In einem Duett vereinen sich die beiden Kontrahentinnen musikalisch, doch auf Augenhöhe findet der Kampf nicht statt: Hagar und ihr Sohn werden dem sicheren Tod in der Wüste übergeben. Ismael wird zum Wüstensohn, zum Begründer eines großen Volkes.

Isaak dagegen wächst bei Abraham heran und schon wieder wird Gehorsam von Abraham gefordert: Der lang ersehnte Sohn soll auf den Bergen als Brandopfer dargeboten werden. In der Genesis wird der Opferungsversuch Isaaks kurz beschrieben, während die Oper dem inneren Kampf des Vaters und Isaaks Misstrauen viel Raum lässt. Julian Ricker und Jan Arne Looss zeigen als Abraham und Isaak ein eindrückliches Vater-Sohn-Paradoxon: Während der Vater seinen Sohn über alles liebt und ihn schützen will, reagiert er stattdessen brutal und hartherzig auf das beunruhigte Verhalten Isaaks. Wie in der Bibel zeigt das Theater eindrücklich, dass Abraham in seiner Treue gegenüber Gott zum Äußersten fähig ist. So ist es nur konsequent, dass die Opferungsszene auch vollendet wird – als Beweis für Abrahams absoluten Gottesgehorsam. Allerdings stirbt Issak nicht wirklich, so dass der Zuschauende dem nächsten interfamiliären Konflikt beiwohnen kann: die ungleichen Brüder, welche ihren Vater gemeinsam zu Grabe tragen. Ein düsterer Moment, in dem sich die Sänger in einem feindschaftlichen Tanz begegnen.

Walter Weyers und Peter Keston inszenierten eine donnergewaltige Oper. Die primitiven Kostüme und das Bodypainting sowie der Sand bildeten ein altbiblisches Bild, wie man sich die Zeit der Israeliten auch vorstellen würde. Dominiert wurde das Bühnenbild zum einem von der überdimensionalen Hand auf dem Wüstenboden sowie einer Gebärmutter, die – je nach Situation - bedrohlich oder auch hoffnungsspendend in der Luft hing.

Die Oper stellt den Aspekt der gemeinsamen Wurzel und Identität der Juden, Christen und Moslems mit der herausragenden Rolle Abrahams in den Vordergrund. Der Patriarch wird hier weniger als erster Bekämpfter des Polytheismus oder in seiner biblischen Rolle als Gerechter, als „Vater aller Glaubenden“ gezeigt. Schwerpunkt liegt stattdessen auf den sozialen Konftrontationslinien innerhalb der biblischen Familie. Zwar werden auch Bezüge zu Lot und Noah gezogen, doch das Hauptaugenmerk liegt in dem menschlichen Miteinander. Auch, was über 2.000 Jahre alt ist, kann noch modern inszeniert werden: „Sodom und Gomorrha, sie existieren noch, hier und jetzt. Werden wir es jemals lernen, wir, die Gefangenen der Vergangenheit? Wir müssen es überwinden. Die Gefangenen der Vergangenheit erlösen.“

Fotos: Karl Forster

Comment