Ein bisher einmaliges Ereignis fand am vergangenen Freitag in der Bamberger Konzerthalle statt: Die Kooperation eines Symphonieorchesters mit Poetry Slammern. Die sogenannte Slam Symphony war ein absolut neues Konzept, die Bamberger Symphoniker spielten Richard Strauss‘ „Alpensymphonie“, die Dichter trugen zuvor zu ausgewählten Themen derselben ihre Texte vor. Das Publikum durfte wie gewohnt abstimmen, wer als Sieger aus diesem etwas anderen Dichterwettstreit hervorgehen durfte.
Mit dem Joseph-Keilberth-Saal hatten sich die Veranstalter einiges vorgenommen, über 1.000 Plätze hieß es zu besetzen und das in der (zumindest noch für Studenten) Ferienzeit. Doch es kam schnell ein bunt gemischtes Publikum zusammen: Von Jugendlichen über Studenten bis hin zur „typischen“ Klassikliebhaber-Generation.
Das Ziel der ungewöhnlichen Kooperation war offensichtlich, die junge Generation – welche wohl vor allem wegen den in Bamberg ziemlich bekannten Poetry Slammern Christan Ritter, Max Kennel und Clara Nielsen gekommen war – an klassische Musik heranzuführen, während man den älteren Konzertgängern die moderne Kunstform des Poetry Slams vorstellen wollte. Beide Zielgruppen dürften dabei auf ihre Kosten gekommen sein.
Um das Ganze aufzulockern, gab der Bamberger Kabarettist Götz Frittrang den lustige-Sprüche-klopfenden Moderator und führte durchs Programm, wobei er auch auf den Komponisten Richard Strauss und dessen Werk einging und dem Publikum erläuterte, wie die „Alpensymphonie“ entstanden ist. Betont wurde auch der Live-Aspekt, den man sowohl in Konzerten, Kabaretts und bei Poetry Slams genießt, denn alle diese Kunstformen entwickeln ihre volle Wirkung erst live auf der Bühne und nicht auf dem heimischen TV-Gerät oder Computer.
Anschließend ging es mit dem dichterischen Teil des Abends weiter. Clara Nielsen durfte als Erste ihren extra für den Abend vorbereiteten Text vortragen, zu dem von ihr gewählten Thema „Durch Dickicht und Gestrüpp auf Irrwegen“. Was bei Strauss die Wanderung auf irreführenden Pfaden durch die bergreiche Natur ist, wandelte Clara in eine Parabel einer gescheiterten Beziehung um, bei der das lyrische Ich nach der Trennung von einem „egozentrischen Arschgesicht“ eine nüchterne, selbstschützende Weltsicht hat, aber dennoch zu dem Schluss kommt, dass man nicht andere verletzen darf, weil man selbst einmal verletzt wurde. Außerdem kommt es, sowohl bei einer Wanderung als auch im Leben, nicht unbedingt auf das Ziel an, sondern auf den Weggefährten.
Als nächstes kam Max Kennel auf die Bühne, der das Thema „Die Stille vor dem Sturm“ für seinen Text gewählt hatte. Er bezog dieses Wetterphänomen auf das Stadtleben, wo es grau und dreckig sein kann, bevor das säubernde, energiegeladene Unwetter kommt. Ähnlich einem guten Bühnengeschehen (in Analogie zu seiner Vortragsweise) fängt ein Gewitter zunächst leise an, baut langsam Spannung auf, bis es schließlich tobt und eskaliert, dann abklingt und schließlich wieder Stille herrscht. Woraufhin es im Konzertsaal aber nicht lange still war, sondern tosender Applaus einsetzte.
Als dritter und letzter Poetry Slammer des Abends betrat Christian Ritter die Bühne, den der Moderator als „Bayern München unter den Poetry Slammern“ anpries. Eine Ankündigung für „Bamberg ist Slamberg“-Freunde im Publikum verhieß Gutes: Nach der Schließung des Morphclubs hat der Bamberger Poetry Slam zwar keinen festen Sitz mehr, wird aber zukünftig durch die Kneipen ziehen, beginnend im Oktober im Stilbruch.
Das Thema von Christians Text war „Die Nacht“. Im Gegensatz zu denen seiner beiden Kollegen fuhr dieser Text auf der lustigen Schiene (was bei Poetry Slams ja meistens gut ankommt). Der schlafende Erzähler wird vom Zalando-Boten frühmorgens geweckt, nachdem er nachts lange auf war, weil er nur dann die Ruhe zum Arbeiten findet. Außerdem wurden die Vorteile des nächtlichen, einsamen Spaziergangs erläutert: Keine Touristen, keine Autos, keine nervigen Gespräche. Für Lacher sorgte die vom Zalando-Boten gestellte Frage: „Sagen Sie mal – Sind sie asozial? Oder Künstler?“
Nach den drei Vorträgen der Poetry Slammer durften sowohl das Publikum als auch das Orchester per Applaus abstimmen, wer den Wettstreit gewinnen sollte. Ganz einfach war dies nicht herauszuhören, schließlich wurde aber Max Kennel zum Sieger ernannt. Der Preis war ein Buch mit Tipps zum Überleben in den Bergen, also ganz im Sinne des Abends.
Nun konnten die Bamberger Symphoniker endlich zeigen, was sie konnten und dem Publikum die „Alpensymphonie“ präsentieren, welche mit ihren ca. 50 Minuten dem ein oder anderen Klassikneuling vermutlich zu lange dauerte, aber durchaus mit ihrer lautmalerischen Inszenierung die Vision einer Bergwanderung inklusive Gewitter und nächtlichem Umherirren auferstehen ließ.
Wenn man sich auf dieses Experiment der Kooperation zwischen klassischer und moderner Kunstform einließ, hatte man einen interessanten und bereichernden Abend. Gerne wieder.