VC down wegen VG Wort?

VC down wegen VG Wort?

12. Dezember 2016Abeln Thomas

Seit einigen Tagen befindet sich auf der Startseite des Virtuellen Campus (kurz VC) ein Banner mit der Aufschrift „Urheberrechtlich geschützte Materialien müssen zum 01.01.2017 entfernt werden“. Der Grund ist ein Rechtsstreit mit der Verwertungsgesellschaft Wort, kurz VG Wort. Wir führten deswegen am 06.12.2016 eine Diskussion mit unserer Universitätskanzlerin Frau Dr. Steuer-Flieser und dem Universitätsbibliotheksdirektor Herrn Dr. Franke, in welcher die wichtigsten Fragen noch einmal für euch geklärt wurden.

Betroffene Inhalte und Problematik

Auf die Frage, was alles aus dem VC gelöscht werden muss, antwortete die Kanzlerin, dass eine Differenzierung notwendig sei. Es gehe um Sprachwerke, für die keine Genehmigung des Urhebers zur Veröffentlichung vorliegt. Darunter sind quasi sämtliche Zeitschriften, Publikationen und Bücher zu verstehen. Ausnahmen, so Dr. Steuer-Flieser, sind eigene Texte, aber auch gemeinfreie Texte, z.B. von Autoren, die vor über 70 Jahren verstorben sind, oder Vorlesungsfolien. Völlig ausgenommen sind Bildwerke, die von der VG Bild und Ton separat abgerechnet werden. Auch das Zitatrecht ist von der Neuregelung nicht betroffen. Wenn in den Vorlesungsfolien sauber zitiert wurde, stellt dies keinen Grund für eine Löschung dar. Laut Dr. Franke erlaubt dies aber nicht, dass ganze Buchseiten als Zitat ausgegeben werden.

Grundsätzlich ermöglicht das Urheberrecht das Digitalisieren von kleinen Teilen eines Buches oder Aufsätzen, sofern sie nur einem kleinen, abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern zugänglich gemacht wurden. Als Entschädigung dafür muss ein gewisser Betrag an die Verwertungsgesellschaften bezahlt werden. Im vergangenen Jahr hat die VG Wort als eben diese Entschädigung vom Bund und Ländern pauschal 2,1 Mio. Euro erhalten, die an die Urheber weitergeleitet wurden. Das Problem jetzt aber ist die Einzelabrechnung, die die VG Wort verlangt. Dabei, so der Bibliotheksdirektor, ist die Anzahl der Texte, die der Seiten und die Teilnehmerzahl eines Kurses entscheidend. Die Gebühr würde 0,8 Cent pro Seite und Teilnehmer betragen. Diese Form der Abrechnung wurde so auch 2013 vor Gericht erstritten. Sämtliche Hochschulen in Deutschland haben dies abgelehnt, da dies zu einem enormen Zeitaufwand für die Dozierenden führen würde. Daher dürfen ab 01.01.17 nun keine Seiten von Texten mehr in den VC hochgeladen werden, sondern müssen heruntergenommen werden.

Die Kanzlerin Dr. Steuer-Flieser stellte noch einmal klar, dass nicht das Geld das Problem sei, sondern der enorme Aufwand, der auf jeden einzelnen Dozierenden zukäme. Die Universität Osnabrück hatte die Einzelabrechnung im Vorfeld erprobt und dabei einen überbordenden Aufwand festgestellt, den die Universitätsleitung im Interesse der Dozierenden nicht eingehen will. Allerdings würden dafür wieder die Semesterapparate aufbereitet, die für die Eigenrecherche und den wissenschaftlichen Gebrauch gescannt und kopiert werden dürfen, soweit es nötig ist. Dieser sei aber laut Dr. Franke recht eng gefasst. Illegal ist es, so die Kanzlerin ausdrücklich, diese Kopien an andere Kommilitonen und Kommilitoninnen weiter zu verteilen.

Änderungen ab 01.01.2017

Die VG Wort, so auf Nachfrage des Bibliotheksdirektors, vertritt in Deutschland sämtliche Autoren, nicht nur die deutschen. Daher sind auch fremdsprachige Texte davon betroffen. Für den Alltag eines Studierenden sieht es laut Dr. Franke ab 01.01.17 so aus, dass entweder die Bücher lizensiert sind und daher heruntergeladen und genutzt werden können, oder aber sie stehen als Semesterapparat in den Bibliotheken bereit. Alternativ veröffentlichen die Autoren ihre Werke „open access“, d.h. sie treten ihre Rechte nicht an einen Verlag ab, der wiederum durch die VG Wort vertreten werde. Diese Art der Literatur könnte noch zugänglich gemacht werden.

Die Kanzlerin hofft, dass die VG Wort noch nachgibt oder ein Gesetz verabschiedet wird, das keine Einzelabrechnung für wissenschaftliches Arbeiten zulässt. Vergangenes Jahr konnte noch eine Einigung in letzter Minute erzielt werden. Dieses Mal weigert sich die VG Wort. Die bayerischen Universitäten, aber auch Unis aus anderen Bundesländern haben sich dem Vorschlag einer Einzelvergütung aus oben genannten Gründen sofort verweigert. Für die Kanzlerin ist die Haltung der VG Wort unverständlich. Sie ergänzt, dass durch die Weigerung der Universitäten die Finanzmittel für die VG Wort begrenzt sind und damit deren Position schwächer wird. Sie hofft daher, dass bald erneut verhandelt wird, ruft aber alle Studierenden auf, alle momentan verfügbaren Dateien und Dokumente bis Jahresende aus dem VC herunterzuladen, damit zumindest dieses Semester keine Probleme bei der Literatur entstehen.

Auch wenn durch die Weigerung automatisch Mehrarbeit entstünde, soll es laut Dr. Steuer-Flieser so sein, dass nach Möglichkeit die Belastung für Dozierende und Studierende möglichst gering bleibt. Die einzelnen Lösungen müssten aber noch ausgearbeitet werden. Mit Ergebnissen sei spätestens im Januar zu rechnen. Die technische Ausstattung sei laut Dr. Franke hervorragend, weshalb er keine Probleme sieht. Auch werden, soweit möglich, alle wissenschaftlichen Bücher als E-Book gekauft werden, um den Scan-Aufwand für die Studierenden zu minimieren. In Bezug auf die Bedenken über zu wenige Scanner und Kopierer äußert er, dass ab nächstem Jahr neue Geräte angeschafft werden und die Auslastung sich zeigen müsse. Wenn dann noch Bedarf bestehe, werde der Bestand erweitert.

Zum Kopieren der Bücher sind die Urheberrechte einzuhalten, auf die laut Universitäts- und auch Bibliotheksleitung in den Bibliotheken und dem VC hingewiesen wird. Eine erneute Rechtsbelehrung werde daher nicht stattfinden. Inwieweit die Dozierenden die Studierenden über die Problematik, dass Texte gelöscht werden müssen, unterrichten, liegt bei den jeweiligen Dozierenden.

Welche Fakultäten von diesem Ausnahmezustand mehr belastet sind, kann man nicht pauschal sagen. Aber es ist davon auszugehen, dass die Geisteswissenschaften besonders stark betroffen sind. Dr. Franke stellte aber noch einmal klar, dass nicht alle Werke im VC verboten seien. Bilder oder gemeinfreie Werke dürften immer noch hochgeladen werden. Bei Fragen können sich die Dozierenden gerne an die Universitätsbibliothek wenden. Abschließend bestätigte Dr. Franke noch einmal: Bei sauberer Zitation dürfen Vorlesungsfolien im VC bestehen bleiben und hochgeladen werden.

Interview: Robert Kuchen
Text: Thomas Abeln

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