Es tut gut, endlich mal wieder Theater zu erleben, und die Kulisse der Alten Hofhaltung bei Sonnenuntergang unter freiem Himmel ist schon für sich genommen einen Besuch wert. Die Calderón-Spiele zeigen diesen Sommer mit Shakespeares meistgespielter Komödie „Was ihr wollt“ ein failsafe Lustspiel – nur leider ohne sehr viel Witz.
Das Bühnenbild, das das fantastische Herzogtum Illyrien darstellen soll, ist von zwei stimmigen Fachwerk-Türmen geprägt, die geschmückt sind mit dem lateinischen Spruch „cucullus non facit monachum“: Eine Kutte macht noch keinen Mönch. Ein treffenderes Kausalitätsbekenntnis könnte es für den Abend selbst nicht geben: Eine klassische Komödie macht noch kein lustiges Theater.
If music be the food of love, play on
Dabei birgt Shakespeares Verwechslungsdrama auch für unsere Zeit ein großes Unterhaltungspotenzial. In Illyrien dreht sich nämlich alles um die Liebe, konzentriert auf eine ménage à trois aus dem Herzog Orsino (Paul Maximilian Pira), der Gräfin Olivia (Ewa Rataj) und Orsinos Boten Cesario (Clara Kroneck). Jeder der dreien liebt den, den er/sie nicht haben kann, und darüber hinaus ist der Bote nicht, wer er zu sein scheint: Tatsächlich ist Cesario Viola, eine junge Frau, die nach einem Schiffbruch in Illyrien gestrandet ist und sich zu ihrem Schutz als Mann verkleidet hat. Die Dramatik bzw. Komik entfaltet sich in Cesarios/Violas Botengängen zu Olivia, den Hoffnungen und Sehnsüchten der Verliebten, die mit roten und weißen Plastikblumen um sich werfen, und den Lausbubenstreichen von Olivias Dienerin Maria (Anne Weise) und ihrem Vetter Sir Toby Rülps (Daniel Dietrich) an dem ordnungsliebenden Verwalter Malvolio (Oliver Niemeier). Und der Narr (Eric Wehlan) turnt auch nach seiner Weise dazwischen umher. So weit, so verworren, aber natürlich geht am Ende alles gut aus. Im Original. In dieser Interpretation von Mia Constantine wird dagegen in der Schwebe gelassen, was mit den Beteiligten passiert, denn das Stück ist zu Ende, nachdem Viola Orsino und Olivia ihre Maskerade gestanden hat und alle erkannt haben, wie ihre Gefühle teilweise irregeleitet wurden. Was uns das wohl sagen soll?
Ich bin nicht, was ich bin
Der Eindruck, der von diesem Theaterabend haften bleibt, ist leider weniger der eines unterhaltsamen Verwechslungsspiels, sondern der einer zu stark zusammengekürzten Komödie, die selbst ihre eigens hinzugefügten Komik-Elemente nicht ernst nimmt. Sowohl die Kostüme als auch die Schauspielerei sind schrill und extravagant – von der ersten Sekunde an soll kein Zweifel daran bestehen, dass alles auf der Bühne Ausgestellte übertrieben ist. Genauso macht das Stück sich über Shakespeares Text lustig; der größte Teil ist entweder stark gekürzt oder in modernes Neuhochdeutsch übersetzt worden, wohl um der alten Sprache einen „hippen, witzigen“ Anstrich zu verpassen. Dabei bleibt es jedoch nicht konsistent, sondern wechselt sowohl bei überzogenen Mockierungen als auch bei zentralen Handlungsmomenten zurück zum klassischen Text – das eine Mal exaggeriert, das andere Mal gestellt tiefgründig. Als wäre die Regie sich darüber im Klaren, dass alle ihre schrillen „Nehmt uns bloß nicht ernst!“-Signale trotzdem noch eine Handlung erzählen müssen. Und das kann nur der ins Deutsche übertragene Originaltext leisten, mit dem man bestenfalls schon vertraut sein sollte, bevor man in das Stück geht. Trotz der erschöpfenden Expositionssequenz zu Beginn dürfte es für komplett Unerfahrene schwierig sein, den Beziehungsgeflechten über den Abend zu folgen.
Erinnere dich, wer deine gelben Strümpfe lobte
Es wäre befriedigender, das Stück einfach als kurzweiliges Amüsement zu akzeptieren, wenn es nicht noch den Versuch einer tiefgründigen Interpretation gegeben hätte. Verspiegelte Drehtüren in den Wänden der Türme werden exzessiv bespielt, werfen das eigene Spiegelbild auf Figuren und Publikum zurück und könnten nicht deutlicher machen, dass das Stück die Frage aufwerfen möchte: Was ist Schein und Sein (in der Liebe)? Was machen wir uns und anderen vor? Relevante Fragen, die jedoch gegen den oberflächlichen, lauten Unsinn auf der Vorderbühne keine Chance haben. Der doppelte Boden wird flach, und der Abend hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Hätte mich das interessieren sollen, was ich in den letzten 2h 30min gesehen habe? Es hätte mich interessieren können – wenn ich storchschrittige Anstandsdamen mit Thermopapierrollen um den Hals lustig fände.