So ein Theater!

29. Mai 2015Geuppert Alina

Drei Wochen lang herrschte im E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg künstlerischer Ausnahmezustand: Die 33. Bayerischen Theatertage gastierten vom 04.–23. Mai in der Domstadt.

28 bayerische Theater präsentierten sich mit über 40 verschiedenen Inszenierungen dem Bamberger Publikum, eine Zahl, für die sonst Jahre benötigt werden würden, so Intendant Rainer Lewandowski bei der Abschlussveranstaltung am Samstag. Bereits zum sechsten Mal war Bamberg Gastgeber – und damit Spitzenreiter unter den bayerischen Theatern. Der scheidende Intendant Lewandowski trug dazu einen großen Teil bei. Ab der Spielzeit 2015/2016 wird Sibylle Broll-Pape, Gründerin und Leiterin des Bochumer Prinz-Regent-Theaters, neue Intendantin in Bamberg. Zeitgleich mit Lewandowskis 25. Dienstjubiläum und der Verabschiedung in den Ruhestand zog das Festival noch ein letztes Mal unter seiner Leitung in das E.T.A.-Hoffmann-Theater ein.

Show nach der Show

Dirk Müller, Pressesprecher des Theaters freute es besonders, „dass das Festival als Fest angenommen wurde.“ Ein üppiges Rahmenprogramm lud auch vor und nach den Aufführungen zum Verbleiben ein: In einem Gastrozelt des Restaurants Hessenhof aus Coburg sowie bei zahlreichen Divertimenti. Ensemble-Mitglied Felix Pielmeier lud in seine Live-Radioshow und die Ensembleband präsentierte ihr musikalisches Können. Regelmäßig plauderte auch die Impro-Gruppe des Theaters beim „Kulissengeflüster“ aus dem Nähkästchen und ließ manchen Theatergänger staunen, was sich auch hinter dem Vorhang alles an Dramen abspielt. Aber auch externe Programmpunkte, wie Live-Bands oder ein Theater-Quiz, rundeten die Festivalabende ab.

Die bayerischen Theatertage sind nicht nur Festival und Feier – bevor die bayerischen Kollegen auf die Bamberger Bühnen treten konnten, musste jede Menge Vorarbeit geleistet werden. Auf der Seite des Bamberger Theaters kümmerte sich besonders die Leiterin der Organisation des diesjährigen Festivals, Anja Simon, um die monatelangen Vorbereitungen. Natürlich ist es für viele Theater nichts Ungewöhnliches, Gastensembles auf die eigene Bühne treten zu lassen. Die Herausforderung liegt aber in der großen Anzahl der Gastspiele in einer so kurzen Zeit: Innerhalb von drei Wochen präsentierten 28 Theater aus ganz Bayern Stücke ihrer Wahl im E.T.A.-Hoffmann-Theater. Konzeptionelle Vorgaben gab es nicht – das ermöglichte eine bunte Mischung an Produktions-, Inszenierungs- und Spielweisen. Fast jeden Tag gab eine neue Kulisse dem Großen Haus und den anderen Spielstätten einen neuen Kontext. So wurde der Zuschauer beispielsweise in die Märchenwelt Cinderellas, die vom Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz aufwendig installiert wurde, entführt.

Blinkende Weihnachtshäuser als Inspiration

Doch nicht nur für die Techniker hinter den Kulissen bedeuteten die Gastspiele eine Umstellung. Vier Schauspieler der Münchner Kammerspiele berichteten bei einem Nachgespräch von der überwältigenden, da ungewohnten Größe des Spielorts. So surreal wie ein Traum sei es für die vier Schauspieler gewesen, das Stück „Hundeherz“ von Michail Bulgakow im ausverkauften Großen Haus zu spielen. Gewohnt ist die Truppe um zwei fest engagierte Schauspieler der Kammerspiele und zwei Schauspielstudenten der Theaterakademie August Everding einen viel kleineren Spielort. Nicht nur für die Bamberger Theaterzuschauer, auch für die Gastensembles waren die Theatertage also eine Bereicherung.

Einführungen und Nachgespräche wie bei „Hundeherz“ wurden für viele Stücke angeboten und vom interessierten Publikum auch gerne genutzt, um die Thematiken der Stücke im Gespräch mit den Regisseuren und Schauspielern zu vertiefen oder Fragen zu klären. Schließlich hat man nicht immer die Möglichkeit, so nah an das Ensemble heranzukommen. „Wie weit nimmt man eigentlich als Schauspieler die Reaktionen des Publikums wahr?“, fragte ein neugieriger Zuschauer. So erfuhr man unter anderem auch Ungewöhnliches über die Bühnenkulisse von „Hundeherz“, die einem Youtube-Video eines bunt blickenden Weihnachtshauses nachempfunden war und ihren Weg auf die Bamberger Bühne fand.

Goethe ist nicht klein zu kriegen

Bei einer bunten Mischung an Produktionen - von Klassikern und Operetten über Kinder- und Jugendstücke - war es den Zuschauern möglich, einen Einblick in das bayerische Theaterspektrum zu erhaschen. „Wir sind mit den Zuschauerzahlen sehr zufrieden“, teilte Pressesprecher Dirk Müller mit. Das Studio sei oft vollkommen ausverkauft, das Große Haus bei vielen Stücken zu 85 Prozent besetzt gewesen, so Müller. Dass die Stücke generell gut angekommen sind, zeigte die Bewertung, die im Zuge des Publikumspreises von den Zuschauern mit Stimmkarten nach jeder Aufführung abgegeben werden konnte. 2,11 war die Durchschnittsnote aller Stücke. 65 Prozent aller berechtigten Zuschauer hatten mit ihren Stimmkarten bewertet, 3434 Stimmkarten galt es für den Theaterverein, der den Publikumspreis sponserte, auszuzählen. Auf den dritten und zweiten Platz wählte das Publikum zwei Stücke, die auch vor kurzem erst vom Bamberger Ensemble aufgeführt wurden: „Die 39 Stufen“ und „Schuld und Schein“, an den Theatertagen aber vom Stadttheater Ingolstadt und vom Metropol Theater München inszeniert. Mit dem Kommentar „Goethe ist einfach nicht klein zu kriegen“, übergab Siegmar Walter vom Theaterverein den Höchstpreis von 3.000 Euro an das Mainfranken Theater Würzburg mit dem Ein-Mann-Stück „Junger Klassiker – Faust Short Cuts“.

Dass es bei der Publikumsbewertung kein Stück gab, welches nicht sowohl mit Schulnote 1 als auch 6 bewertet wurde, zeigt für Müller vom Theater Bamberg, dass Kunst immer subjektiv ist und dass es immer Reibungspunkte gibt. Auch bei den Bewertungen der Jugendjury, die nach Sichtung aller Stücke einen eigenen Sieger kürte, gab es viele Diskussionen, deren Ergebnisse an Pinnwänden nachgelesen werden konnten. Die junge Jury, bestehend aus zwölf Mitgliedern des jETA Clubs des Bamberger Theaters, wählte in einer sehr unterhaltsamen Preisverleihung „Des Teufels General“ vom Theater Hof auf den dritten und das Theater Pfütze aus Nürnberg mit „Das Buch von allen Dingen“ auf den zweiten Platz. Den ersten Platz sicherte sich das Landestheater Coburg mit „Fabian“ nach dem Roman von Erich Kästner.

Eine Neuheit bei den 33. Theatertagen war die Verkündung des ersten Gewinners des AK-Awards. Im Zuge einer Tagung des Arbeitskreises Kinder- und Jugendtheater in Bayern wurde zum ersten Mal das beste Theaterstück für die kleinen Zuschauer gewählt: „Das Buch von allen Dingen“ erhielt seine zweite Auszeichnung an diesem Abend. Beim Entgegennehmen des AK-Wanderpokals erzählte ein Vertreter des kleinen Nürnberger Theaters Pfütze, wie absurd es sei, zwei Preise zu gewinnen und trotzdem ums Überleben kämpfen zu müssen. Der Wunsch, dass kleine private und freie Theater gestärkt werden, sei groß.

Die Bayerischen Theatertage 2016 werden, wie Siegmar Walter vom Theaterverein zum Abschluss des diesjährigen Festivals bekannt gab, in Regensburg unter dem Motto „Wildes Bayern“ stattfinden.

Weitere Theaterkritiken gibt es zu "Kanaan - The Story of Abraham" und "In aller Ruhe (Quietly)".

Bilder: Alina Geuppert

Comment