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04. Oktober 2014 - Fee Hovehne

Schrill und bunt eröffnete am 6. Juli 2014 Gerhard Fehns Inszenierung von William Shakespeares Viel Lärm um Nichts die Calderón-Festspiele 2014.

Wie auf dem Rummelplatz kann der Zuschauer dabei durchaus seinen Spaß haben, fühlt sich aber hin und wieder in der Menge allein gelassen. „divertire“ und „confusione“ ist an den Rändern der Bühne zu lesen, denn wenn man nur zwei Worte zur Beschreibung von Shakespeares Komödie, die etwa 1598 entstand, heranziehen dürfte, dann dass man „sich amüsiert“ über „das Verwirrspiel“. Auf einem Maskenball wirbt Don Pedro, Prinz von Aragon, im Namen des florentinischen Grafen Claudio um die Gunst der Hero, der Tochter des Gouverneurs von Messina. Die Hochzeit ist beschlossene Sache, wäre da nicht Pedros melancholischer Halbbruder Don Juan, der die Liebe zwischen dem jungen Grafen und Leonatos Tochter nicht erträgt. Während er und sein Diener Barachio ein Täuschungsmanöver vorbereiten, das Hero als vermeintlich untreu brandmarkt, versucht sich Pedro als Kuppler zwischen Benedikt und Beatrice. Der Edelmann aus Padua und die Nichte Leonatos können sich auf den Tod nicht ausstehen, ähneln sie sich doch in ihrer kategorischen Ablehnung aller Beziehungsgefüge zwischen Mann und Frau sehr. Ähnlich seinem Halbbruder inszeniert Pedro eine Unterredung zwischen sich selbst, Claudio und Leonato, die dem lauschenden Benedikt vermittelt, Beatrice sei unsterblich in ihn verliebt. Zeitgleich vernimmt Beatrice ein Gespräch zwischen Hero und einer ihrer Kammerfrauen, das Benedikts scheinbare Liebe zu ihr zum Thema hat. Völlig verändert durch dieses Wissen nähern sich die beiden Streithähne plötzlich an, wäre da nicht die vermasselte Hochzeit zwischen Claudio und Hero, die die Loyalität aller Beteiligten auf die Probe stellt.

Genauso wild wie die Handlung zeigt sich Gerhard Fehns Inszenierung. Die karnevalesken Züge des Shakespearschen Messina werden hier zum Jahrmarkt, die Figuren zu den schillernden Persönlichkeiten der fahrenden Zunft. Gleich zu Beginn tritt der Dichter selbst als Schausteller auf die Bühne und eröffnet seine „Bude“ mit einer kleinen Show. Alles blinkt und tanzt und kehrt seine individuelle Persönlichkeit nach außen, wären da nicht die abgehackten, puppenartigen Bewegungen der Tanzenden. Die Selbstdarstellung scheint hier nicht nur aus sich selbst heraus motiviert. Zwischen den Akten kehren diese Showeinlagen immer wieder. Es fällt auf, dass hier zum einen nicht nur zahlreiche Shakespeare-Zitate wie Hamlet oder Romeo und Julia mit auf die Bühne treten, sondern auch popkulturelle Einflüsse verarbeitet werden. Film und Fernsehen durchziehen die gesamte Inszenierung. So zeigt Fehn den großen Gegenspieler Don Juan als den Joker aus der Batman-Verfilmung The Dark Knight und seinen Handlanger Borachio als Captain Jack Sparrow aus der Fluch der Karibik-Filmreihe. Auch dass Hero an Barbie erinnert, Don Pedro Dieter Thomas Kuhn zum Verwechseln ähnlich sieht und Benedikt seine Ansichten über die Beziehung zwischen Mann und Frau in einer Art Herzblatt-Sendung dem Publikum nahebringt, zeigt die Aktualisierung einer Auffassung von Selbstdarstellung, die schon zu Shakespeares Zeiten unmittelbar mit Liebe verknüpft und eindeutig an die gesellschaftliche Konvention von Romantik gekoppelt ist. Schein und sein unterscheiden sich auch heute noch grundlegend voneinander, wobei die Gesellschaftsabsprache hier und heute durch die Medien beeinflusst scheint.

Zu den Absprachen einer Gesellschaft mögen auch spezifische Geschlechterrollen zählen, die zu Shakespeares Zeiten noch sehr viel eindeutiger, aber gerade in Bezug auf die Frau natürlich auch sehr viel einfältiger ausfallen. Umso ungewöhnlicher erscheint hier die Figur der Beatrice, die sich bei Fehn zwar auch von den anderen Püppchen abhebt, aber vor dem Hintergrund der Emanzipation und sexuellen Revolution des 20. Jahrhunderts eine größere Wandlung hätte durchlaufen können. Jegliche Kritik wird an dieser Stelle jedoch durch das virtuose Spiel von Verena Ehrmann zunichtegemacht. Die Leidenschaft, mit der sie erst gegen die Männer hetzt und schließlich Benedikt liebt, sucht im Ensemble ihresgleichen. Die überaus solide Leistung aller Darsteller ist nicht zuletzt auf eine große Harmonie unter den Spielenden zurückzuführen, die besonders beim verschwörerischen Dreiergespann Don Pedro (Florian Walter), Claudio (Bernhard Georg Rusch) und Leonato (Eckhart Neuberg) immer wieder zu sehr amüsanten Episoden führt.

Auch Beatrices Gegenpart Benedikt (Patrick L. Schmitz) kann sich behaupten, wenn er als frisch Verliebter plötzlich im rosa Seidenanzug auf der Bühne steht. Generell sind die Kostüme von Jens Hübner sehr poppig-bunt gehalten und in ihren Anspielungen sehr detailliert. Viele Farben und ein Hauch von Kitsch durchziehen ebenso sein Bühnenbild, das in seiner Kulissenhaftigkeit abermals an den Jahrmarkt erinnert und konzeptionell darüber hinwegtröstet, dass die historische Szenerie der Alten Hofhaltung nicht genutzt wurde. Die sonderbaren Tanzeinlagen lenken zudem eher vom Geschehen ab, als dass sie den Zuschauer näher an die Thematik hinführen. Die Aktualisierung des Stoffes funktioniert bei Fehn vor allem durch die visuellen Assoziationen, mit denen der Zuschauer den Stoff greifbarer in seine Lebenswirklichkeit übertragen kann. Aufgrund der Fülle an Reizen bleibt jedoch manchmal ein schales Gefühl der verlorenen Stringenz zurück. Nichtsdestotrotz funktioniert aber der Witz und Charme dieser Inszenierung. Es bleibt also sich zu amüsieren, auch wenn das Verwirrspiel manchmal Überhand nimmt.

Weitere Vorstellungen: 16. - 20., 22. und 24. - 26. Juli 2014

Text: Kevin Dühr

 

 

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