„Cinderella“ – Es war einmal in einem ganzen halben Königreich ...

22. Mai 2015 -

... als singend ein paar Zwerge am 20. Mai den großen Saal des E.T.A.-Hoffmann-Theaters betraten und sich das ganze Publikum fragte: „Was haben Zwerge in dem Märchen Cinderella zu suchen?“ Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass diese Märchen-Aufführung vom Staatstheater am Gärtnerplatz aus München anders sein würde als viele andere Cinderella-Versionen.

Hört man die Worte Märchen, Zwerge, Cinderella und Musical, denkt man automatisch zuerst an ein süßes Kinderstück mit den üblichen Lehren der Gebrüder Grimm oder auch an die kitschige und ebenfalls schöne Version von Walt Disney. Doch wie gesagt brachte das Staatstheater am Gärtnerplatz nach Vorlage von Thomas Pigor eine ganz eigene Interpretation des Märchens nach Bamberg.

Die Zwerge, die ganz am Anfang des Stückes in den Saal kamen, gehörten zum Orchester des Staatstheaters und griffen nur musikalisch in den Verlauf des Stückes ein. Kaum hatten sie sich in den Orchestergraben begeben, waren nur noch ihre Zipfelmützen zu sehen und Andreas Goebel betrat als Haushofmeister des Königs die Bühne. Mit dreimaligem Klopfen seines Stabes kündigte er den Beginn des Stückes an und schon öffnete sich der Vorhang.

Ab diesem Zeitpunkt befand sich das Publikum in der Märchenwelt des „ganzen halben Königreiches“, in dem es von sprechenden und steppenden Tieren nur so wimmelte, die Opposition dem König das Leben schwer machte und viele weitere seltsame Gestalten über die Bühne huschten.

Herumhuschen konnten sie gut, denn das Bühnenbild bestand aus überdimensionalen Büchern, die wie ein Labyrinth angeordnet waren und in denen so manches Geheimnis schlummerte, doch dazu später mehr.

Zuerst meldete sich nämlich die Opposition zu Wort:

„Oh König“, sprach diese, „wie märchenhaft

Ist eine Hochzeit, solange sie nur Gutes schafft.

Schon sieben Töchter habt Ihr vermählt,

Von denen jede sich einen Prinzen erwählt;

Doch jeder erhielt nebst der Tochter Hand,

Als Mitgift die Hälfte vom Märchenland.

So steckt unser Königreich nun in der Krise.

Drum: Schluss mit den Märchen!“, so fordert diese.

Das Königreich bestand nach den sieben Hochzeiten der Töchter mittlerweile nur noch aus einem winzigen roten Punkt. Das Dilemma des Königs war nun, dass er aber noch einen Sohn hatte, der natürlich auch noch verheiratet werden musste. Damit diese Winzigkeit von Königreich aber nicht noch einmal geteilt werden würde, schlug die Opposition vor, dass der Prinz ein Mädchen aus dem gemeinen Volke erwählen sollte. Der Vorschlag wurde angenommen und die erste Gesangseinlage des Ensembles kündigte einen Ball an, zu dem alle Mädchen des ganzen halben Königreiches erscheinen sollten, damit sich der Prinz eine Frau erwählen könnte. Von nun an hatte das Stück dann wieder mehr mit „Aschenputtel“ oder „Cinderella“ zu tun.

In der zweiten Szene betrat Ella Zinder, oder wie sie eigentlich genannte wurde: Cinderella lesend mit dicker Brille und Ruß im Gesicht die Bühne. Sie zauberte mit wenigen Handgriffen aus einem der großen Bücher eine Wohnung hervor und begann in den verschiedensten Positionen zu lesen. Natürlich durfte auch die böse Stiefmutter nicht fehlen, die authentisch von Robert Joseph Bartl gespielt wurde. Er ging in seiner Rolle wirklich auf und verlangte von Cinderella, dass sie ihm den Rücken massierte, während er faul in einem riesigen Badezuber saß. Auch die Stiefschwestern von Cinderella, Olga und Emilie waren bösartige Charaktere, die aber ebenfalls sehr gut von Susanne Seimel (Olga) und Katharina Lochmann (Emilie) verkörpert wurden.

Insgesamt war das Ensemble schauspielerisch sehr gut und vor allem Stefan Bischoff als König Karlheinz dem Großen wurde einiges abverlangt. Anders als sein Beiname besagt, war er nämlich alles andere als groß. Er musste während des gesamten Stückes auf den Knien herumrutschen, die so modelliert waren, als wären es seine Füße. Auch die beiden Schauspieler, die im Kostüm des Pferdes Horst steckten, mussten während ihrer Steppeinlagen zeigen, was in ihnen steckte und das war so einiges. An sich gibt es zu jeder einzelnen Rolle etwas zu sagen, da jede Figur so einprägsam und besonders dargestellt wurde.

Besonders schön waren auch die vielen Details des Bühnenbilds, ob es nun ein Fenster war, das durch das Herausklappen aus einem der riesigen Bücher plötzlich zum Tisch wurde oder der Baum, der sich zwischen den Buchseiten versteckt hatte. Auch die Tauben, Pic und Pic, die in Menschengröße von Anja Clementi und Yara Blümel gespielt wurden, sah man immer wieder hoch über den Büchern im hinteren Teil der Bühne als Puppen herumfliegen. Es gab ständig etwas Neues zu sehen, was das Stück vor allem für Kinder besonders kurzweilig machte, doch auch für Erwachsene hatte das Musical einiges zu bieten.

Während flache Witze wie die „tauben Tauben“ eher etwas für Kinder waren, sorgte vor allem die Ballbesucherin Angela (Anlehnung an Angela Merkel) für einige Lacher unter den älteren Zuschauern. Als der Prinz beispielsweise gefragt wurde, wen er sich zur Frau erwählte, meinte Angela sofort, dass sie doch „alternativlos“ sei. Schon reckte das Orchester Plakate in die Höhe, auf denen zu lesen war: „Angela als Königin“.

Diese Art von Details, die aufwendigen Kostüme und die eingängige Musik von Thomas Pigor machten dieses Familienmusical zu einem einmaligen Erlebnis der 33. Bayerischen Theatertage in Bamberg. Damit endet dieser Artikel und es bleibt nur noch zu sagen: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!

 

Gedichtausschnitt: Programmheft „Cinderella“ des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Fotos: Christian POGO Zach

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