Bunbury – Ernst sein ist alles!

02. Dezember 2019 - Anna Hench

Wer ist dieser Bunbury, von dem schon im Titel die Rede ist? Weniger eine leibhaftige Person als ein Lebensgefühl, verkörpert von zwei jungen Dandys in Oscar Wildes „The Importance of being Earnest (Bunbury)“, dem diesjährigen Silvesterstück des E.T.A. Hoffmann-Theaters. Wer nüchtern ausgestellten Tiefsinn auf einer Theaterbühne erwartet, der wird herb enttäuscht werden, denn genau gegen spießige Moraldeklarationen feuert dieses Werk. Sex, Drugs and Rock ʼn Roll heißt es stattdessen. Oder auch „Bunburysieren“, wie es der sorglose Algernon Moncrieff in der Sprache des ausgehenden 19. Jahrhunderts bezeichnet. Von hier nach dort schweifen, flirten was das Zeug hält und sich nicht verwirren lassen von dieser zugeknöpften Gesellschaft, deren Verpflichtungen nur dann unterhaltsam sind, wenn man sie formvollendet auf den Kopf stellen kann.

Wovon handelt also dieses kecke Werk, das so leichtfüßig und selbstverständlich daherkommt? Seine Figuren und ihre Beziehungen zueinander sind in rein wörtlicher Rede immens schwieriger zu erklären als auf der Bühne zu verstehen. Die beiden sorglosen Bachelors Algernon Moncrieff (Daniel Seniuk) und Jack Worthing (Bertram Maxim Gärtner) führen ein Leben in der Londoner Society, wo das Natürliche die schwierigste Pose ist, die man einnehmen kann. Algernon erfindet sich das Alter Ego Bunbury, um ab und zu aufs Land fliehen zu können und Jack gibt vor, sich in der Stadt um seinen ausschweifenden Bruder Ernst kümmern zu müssen. Er verliebt sich in Algernons Cousine Gwendolyn Fairfax (Carlotta Freyer), deren Mutter Lady Bracknell (Katharina Brenner) jedoch wenig begeistert von seinem Antrag ist als sie erfährt, dass er eine Waise ist, die an einem Londoner Bahnhof in einer Handtasche aufgefunden wurde. Kompliziert wird es, als Algernon sich auf dem Land vor Jacks Mündel Cecily Cardew (Stefan Herrmann - ja, richtig gelesen!) als Onkel Ernst ausgibt. Diese lebt unter der Aufsicht von Miss Prism (Ewa Rataj) und Reverend Chasuble (Erik Wehlan) in einem gut betuchten Anwesen. Gwendolyn und Cecily sind sich darin einig, nur einen Mann namens Ernst heiraten zu wollen, und unwirsch enttäuscht, als sie die Lügen ihrer Liebhaber erfahren müssen. Aber die „Wahrheit ist selten rein und niemals einfach“ und am Ende bleibt es „eine schreckliche Sache für einen Mann, wenn er feststellen muss, dass er sein ganzes Leben die Wahrheit gesagt hat“.

Sebastian Schugs Inszenierung von Oscar Wildes wortwitzigem Bühnenstück ist von der ersten bis zu letzten Minute von frisch-fröhlicher Kurzweil getragen. Er schafft es, das Publikum nicht mit der durchaus ernsten Geschichte um den herkunftslosen Jack, sondern mit dem Wortwitz und der Schlagfertigkeit zu fesseln, die ausnahmslos alle seine Figuren auskosten. Dazu kommt die überbordende Energie und Freude des Ensembles an dem Stück, die sich auch lange nach der Applausordnung noch hält. Der Spaß der Schauspieler an der jugendlichen Ironie, die in jeder Zeile ihres Textes und jeder Handlung ihrer Figuren steckt, ist ein großes Juwel dieses Abends. Es macht ihnen großen Spaß, mit der sexuellen Vielschichtigkeit von Wildes Drama nicht nur vorsichtig zu spielen, sondern sie überdeutlich auf der Bühne auszuleben. Ein Fest des Humors und der Obszönitäten, das auch eine kleine ernsthafte Rede enthält: wie beiläufig wird aus dem lasziven, lüsternen Butler (Paul Maximilian Pira) Oscar Wilde himself – in Handschellen, die nichts mit unerhörten Spielchen zu tun haben. Ein Verweis auf das tragische Schicksal des irischen Dramatikers und ein Statement dazu, in welches positive Maß sexueller Toleranz wir uns mittlerweile gesellschaftlich entwickelt haben. Stefan Herrmanns fantastische Performance als Cecily bläst in dasselbe Horn. In Schugs Inszenierung wurde zweifellos nach Talent und nicht nach Geschlecht besetzt.

Wie bereits angesprochen ist es nicht das Charakterdrama, welches das Stück trägt, sondern sein fescher Wortwitz und seine genial inszenierte Komik, die seinen bunten Kern ausmachen. Eine herzliche Einladung zu einem fulminanten Abend des Amüsements und der Leichtigkeit, die besonders zum Jahresende richtig gut tut.

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